Wart ihr schon einmal auf einer “nassen” Weinversteigerung?
Ich zumindest nicht, geschweige denn, dass ich sofort mit dem Begriff etwas anfangen konnte.
Wenn man es erst einmal weiß, liegt es tatsächlich auf der Hand. Es handelt sich um eine Versteigerung, bei der die Weine vor dem Aufruf durch den Auktionator verkostet werden können.
Der VDP (Verband der Prädikatsweingüter) hat vergangenes Wochenende drei dieser Auktionen durchgeführt. Mosel-Saar-Ruwer, Rheingau und Nahe-Ahr. Die Versteigerungen sind für die Prädikatsweingüter schon seit ihrer Gründung 1897 ein Gradmesser für die Marktbedeutung deutscher Spitzenweine. Nur die besten Weinpartien eines Jahrgangs kommen unter den Hammer: Lagenweine vom Kabinett bis zur Trockenbeerenauslese. Die Weine des jüngsten Jahrgangs dominieren, wenige Raritäten ergänzen das Angebot.
Also tatsächlich ein ganz besonderes Erlebnis. Für Weinliebhaber genauso wie für Weinsammler. Auch der Weinnovize kommt hier auf seine Kosten. Und zwar in jeder Hinsicht.
Ich war bei der Rheingauer Versteigerung im Kloster Eberbach dabei, eine beeindruckende Kulisse und in jedem Fall eine Reise wert. Ihr erinnert euch vielleicht, dass hier “Im Namen der Rose” gedreht wurde.
Das Rahmenprogramm startete am Vormittag in den erhabenen Räumlichkeiten des Laiendormitoriums mit der Vorverkostung der Weine. Eine sehr schöne und entspannte Atmosphäre. Aufgrund des hohen Renommees der Auktionen sind in den meisten Fällen die Winzer höchstpersönlich vor Ort, erzählen gerne ein bisschen zu den edlen Gewächsen und man kann sich ein geschmackliches Bild davon machen, was man gerne ersteigern würde. Einige der Raritäten sind Unikate, die nicht verkostet werden können. Und ein paar weitere sind so limitiert, dass sie nur bei der Vorverkostung ausgeschenkt werden können. Nur mal so zum Verhältnis: Der Winzer Robert König erzählte, dass sein Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Weißherbst Trockenbeerenauslese mit drei Flaschen (0,5 l) in die Versteigerung geht und er zwei zusätzliche für die Verkostung benötigt. Der Taxpreis lag hier z.B. bei 80 EUR und erzielte dann einen Versteigerungswert in Höhe von 245 EUR.
So geht man von Tisch zu Tisch, bekommt einen Schluck von dem kostbaren Nass eingeschenkt und kann sich überlegen, welcher Wein im eigenen Weinkeller landen könnte. Sein so genanntes Steiggebot gibt man bei den Weinkommissionären ab. Was auch eine Besonderheit ist: Gebote darf jeder abgeben, aber im Saal dürfen später nur die zugelassenen Kommissionäre steigern – der Preis dafür liegt für den Käufer bei einem Aufschlag in Höhe von 5%.
Die Abgabe eines Gebots ist gänzlich risikolos, da man mit seinem eigenen Höchstgebot vorgibt, bis zu welchem Preis der Kommissionär für einen selbst mitsteigern dürfte. Im Booklet, das man bei der Anmeldung erhält, sind alle Weine mit der zu versteigernden Flaschenanzahl und dem sogenannten Taxpreis per Flasche aufgeführt.
Die optisch am meisten beeindruckende Flasche war die extra für die Versteigerung abgefüllte 9 Liter-Flasche Sektflasche (heißt Salmanazar – wie z.B. Magnum für die 1,5 l-Flasche) in der eigens dafür angefertigten Holzkiste vom Wein- und Sektgut Schönleber aus Oestrich-Winkel. Eine 2009er Grande Reserve Riesling Sekt brut. Voller Stolz erzählt Bernd Schönleber von dem aufwändigen Verfahren, das zur Abfüllung vor drei Wochen stattgefunden hat. Davon ging auch nur eine Flasche in die Versteigerung mit einem Einstiegsangebot von 600 EUR und landete bei 800 EUR.
Erwähnenswert ist sicher auch die Tatsache das überwiegend edelsüße Weine unter den Hammer kommen. Also Spätlese, Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen – mehr als die Hälfte von den 34 Weinen.
Bei der „nassen“ Versteigerung am Nachmittag werden alle Weine mit Ausnahme der Unikate und Raritäten vor dem Aufruf durch den Auktionator nochmals ausgeschenkt. Bevor es losgeht, versorgt man sich mit Wasser und Brötchen, wobei den Brötchentüten eine ganz spezielle Aufgabe zukommt.
Und schon geht’s los. Ganz ehrlich war ich positiv überrascht wie locker und amüsant die Auktion von statten ging. Schon der Auktionator Prof. Dr. Leo Gros, ein Urgestein der Weinbranche und Professor an der Hochschule Fresenius, führt mit interessanten Informationen zu den Weinen, amüsanten Anekdoten und passenden Wein-Zitaten durch den Nachmittag. Zwischendurch kommt auch immer mal einer der Winzer nach vorn und präsentiert seinen Wein selbst. Das macht letztendlich auch den Charme aus – man erfährt etwas zu den Hintergründen des Weins, während man ihn verkosten darf. Die Auktion selbst tritt etwas in den Hintergrund. Man merkt aber doch, dass die Winzer immer mitfiebern und mehr oder weniger zufrieden sind mit den Ergebnissen.
Das Steigern selbst geht – je nach Einstiegspreis – in 50 Cent, 1 Euro oder 10 Euro Schritten von statten. Wenn der Wein gut “läuft”, zählt Prof. Gros zügig nach oben und die Kommissionäre zeigen nur per Kopfnicken an. Wenn das erste Tempo langsamer wird, kommen die Kommissionäre, die noch nicht ausgestiegen sind, nach vorne.
Hintergrund ist, dass mehrere den gleichen maximalen Preis von ihren Kunden genannt bekommen haben und dann eine Verteilung der Weinflaschenmenge erfolgt. Heißt als Beispiel: Es sind 200 Flaschen von einem Wein für die Versteigerung vorhanden. Wenn der identische Preis für mehrere Bieter feststeht, bekommt Kommissionär A 50 Flaschen, B 30 Flaschen usw.
In den jeweiligen Reihen sitzen die Kommissionäre vorne, zu ihren Füßen eine mit Holzspänen ausgelegte Schale, wo die Verkostungsschlücke auch direkt wieder ausgespuckt werden. Da kann man schon mal staunen, mit welcher Präzision gespuckt wird.
Interessant zum generellen Ablauf: Die Helferinnen in netten Dirndln sorgen für einen reibungslosen Ausschank. Während eine Versteigerung läuft, kommt schon der nächste Wein in die Gläser.
Und es wird mitunter auch recht laut im Saal. Denn immer wenn ein Wein ein besonders gutes Ergebnis erzielt, ist die Zeit der Brötchentüten gekommen. Die werden mit lauten Knall zum Platzen gebracht.
Der Wein mit dem höchsten Ergebnis ist diesmal vom G.H. von Mumm Johannisberg, der 1964er Johannisberger Kochberg Riesling Trockenbeerenauslese. Der Taxpreis lag bei 100 EUR und der erzielte Auktionspreis lag bei stolzen 1.800 EUR.
In Summe wurden 80.452 EUR Umsatz netto erzielt., bei einem ursprünglichen Taxpreis gesamt von 44. 746 EUR netto. Also ein Steigerung von rund 80%.
Noch ein paar Rahmendaten:
Dieses besondere Erlebnis kostet inkl. Vorprobe und dem nochmaligen Ausschank während der Versteigerung 45 EUR pro Person.
Die Weine sind ausschließlich für die Versteigerung bestimmt und werden dann für mindestens 10 Jahre nicht im Handel erhältlich sein.
Die Taxpreise bewegen sich von erschwinglich bis kostspielig, je nach Renommee des Winzers, Jahrgang, Herkunft und Qualität des Weines sowie Zahl der verfügbaren Flaschen. Nicht selten wurden neue Weltrekorde für junge Weine erreicht. So geschehen im Jahr 2000, als das Weingut Robert Weil für eine 1999 Kiedrich Gräfenberg Riesling Trockenbeerenauslese DM 6.235,00 erzielte, oder im Jahr 2001 als das Weingut Egon Müller-Scharzhof aus Wiltingen an der Saar diesen Rekord mit DM 9228,– für eine 0,75 l Flasche 1994er Scharzhofberger Riesling Trockenbeerenauslese noch übertraf.
Es gibt sogar ein spezielles Emblem, mit den die ersteigerten Weine ausgestattet werden.
Teilnehmende Weingüter (143)
Mosel-Saar-Ruwer
Von Hövel, Von Othegraven, Karthäuserhof, Clemens Busch, Grans-Fassian, Fritz Haag, Reinhold Haart, Heymann-Löwenstein, Dr. Loosen, S. A. Prüm, Wwe. Dr. H. Thanisch, Erben Thanisch
Mittelrhein
Toni Jost – Hahnenhof, Lanius-Knab, Ratzenberger
Rheingau
Fritz Allendorf, Wein- und Sektgut Barth, Diefenhardt’sches Weingut, August Eser, Friedrich Fendel, Joachim Flick, Prinz von Hessen, Domäne Schloss Johannisberg, G.H. von Mumm, Johannishof, Jakob Jung, Graf von Kanitz, August Kesseler, Baron Knyphausen, Peter Jakob Kühn, Künstler, Wgt. Hans Lang, Freiherr Langwerth von Simmern, Weingut Leitz, Georg Müller Stiftung, Detlev Ritter und Edler von Oetinger – Zum jungen Oetinger, Prinz, Balthasar Ress, F. B. Schönleber Wein- und Sektgut, Josef Spreitzer, Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach, Schloss Vollrads, Geheimrat J. Wegeler, Robert Weil, Domdechant Werner’sches Weingut
Nahe
Dr. Crusius, Schlossgut Diel, H. Dönnhoff, Emrich-Schönleber, Gut Hermannsberg, Kruger-Rumpf, Prinz Salm, Joh. Bapt. Schäfer, Schäfer-Fröhlich
Rheinhessen
Battenfeld Spanier, Kühling-Gillot, Brüder Dr. Becker, K. F. Groebe, Gunderloch, Gutzler, J. Neus, Rappenhof, St. Antony, Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim, Wagner-Stempel, Schloss Westerhaus, Winter, Wittmann
Pfalz
Acham-Magin, Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, Friedrich Becker, Bergdolt – Klostergut St. Lamprecht, Bernhart, Reichsrat von Buhl, Dr. Bürklin-Wolf, A. Christmann, Knipser, Kranz, Philipp Kuhn, Herbert Messmer, Theo Minges, Georg Mosbacher, Münzberg – Lothar Kessler & Söhne, Pfeffingen – Fuhrmann-Eymael, Ökonomierat Rebholz, Karl Schaefer, Siegrist, Dr. Wehrheim, Von Winning – Dr. Deinhard
Franken
Johann Arnold, Bürgerspital zum Hl. Geist, Fürstlich Castell’sches Domänenamt, Michael Fröhlich, Rudolf Fürst, Bernhard Höfler, Juliusspital Würzburg, Fürst Löwenstein, Rudolf May, Roth, Horst Sauer, Schmitt’s Kinder, Zur Schwane, Schloss Sommerhausen, Staatlicher Hofkeller Würzburg, Stadt Klingenberg – Benedikt Baltes, Am Stein, Ludwig Knoll, Weltner, Hans Wirsching, Zehnthof, Theo Luckert
Saale-Unstrut
Lützkendorf, Pawis
Sachsen
Schloss Proschwitz – Prinz zur Lippe
Ahr
J. Adeneuer, Meyer-Näkel, Jean Stodden
Württemberg
Graf Adelmann, Gerhard Aldinger, Graf von Bentzel-Sturmfeder, Beurer, Dautel, Drautz-Able, Jürgen Ellwanger, Karl Haidle, Heid, Fürst Hohenlohe Oehringen, Weingut des Grafen Neipperg, Rainer Schnaitmann, Staatsweingut Weinsberg, Wachtstetter, Wöhrwag
Baden
Bercher, Freiherr von und zu Franckenstein, Dr. Heger, Bernhard Huber, Franz Keller Schwarzer Adler, Markgraf von Baden, Schloss Neuweier, Salwey, Konrad Schlör, H. Schlumberger, Seeger, Staatsweingut Freiburg, Stigler, Wöhrle